Ein Fest und ein Anschlag


© Schreibergilde der Drachenritter.

Die Autoren in der Reihenfolge ihrer Erscheinung:

Asininer Assassine, Gangrel, Arathas, Cusach (Yerho), Khisant, Takina der Gobbo, Horstos, Zeiram, Jerron, Ulrike, ManOfShei, Teria, Dreibuchstaben, Silvana, KeyKeeper, Labiler Leichenfledderer


Kapitel 2: Ein Anschlag

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Aus dem Treppenhaus ertönte ein markerschütterndes Scheppern.

Ein riesiger Blechhaufen polterte verkehrt herum die Treppe hinab.

Irritiert hob Jerron den Kopf und wunderte sich über die seltsame Art und Weise, wie Dreibuchstaben neuerdings die Stiegen bewältigte. Mit dem Kopf voran? Das war neu.

Etwas Dunkles sprang geschmeidig über DtK hinweg und landete in Jerrons Nähe. Der Kapuzenmantel flog zur Seite, und eine schlanke, in metallbesetztes Leder gekleidete Kriegerin kam zum Vorschein.

Bedrohlich blitzte der Stahl der Speerspitze, als die Klinge an Dreibuchstabens Hals fuhr. "Zuviel Blech ist schädlich für die Standfestigkeit!"

Wütende Augen fraßen sich in ihr Gesicht. "Die wirst DU gleich brauchen!" So elegant wie möglich wälzte sich der Ritter in die Höhe.

"Ich habe keine Zeit für derlei Spielchen. Man nennt mich Silvana, und ich suche einen Magier."

Ohne weiter auf Dreibuchstaben zu achten, wandte sie sich an Jerron. "Ihr seid nicht zufällig einer?" Abfällig betrachtete sie den klatschnassen Mann, der wie angewurzelt vor ihr stand.

Eine schwere Hand schlug ihr auf die Schulter. "Dreh dich gefälligst um, wenn ich mit dir abrechnen will!"

Die Bewegung, die dem folgte, war für Jerron kaum wahrnehmbar. Ein Sprung in die Höhe, ein Strecken des Bein, und Dtk flog durch die Wucht des Aufpralls nach hinten.

"Ich wusste gar nicht, dass Dreibuchstaben heute so schwach auf den Beinen ist." Nachdenklich fuhr sich Jerron übers Kinn. "Wozu braucht die Kriegerin wohl einen Magier?" Ohne mit der Wimper zu zucken, hob er eine Augenbraue. "Ihr solltet auf die Streitaxt hinter Euch achten, Silvana."

In diesem Moment stürzte Lady Ulrike mit ihrem Besen an Jerron vorbei und stellte sich DtK mutig entgegen.

"Halt, Stopp! Du wirst der Wallonin nicht deine Axt in den Rücken schlagen!"

DtK starrte Lady Ulrike durch seine Sehschlitze völlig perplex an. Ja war sie denn verrückt geworden? Wieso war sie überhaupt hier? Hatte sie denn die Rüstung nicht getroffen? Wen hatte die Rüstung denn dann getroffen?

Dreibuchstaben wusste nicht, ob er nun über diese verrückte Situation lachen oder ihr gleich seine Axt in den Schädel rammen sollte.

"Silvana ist eine gute Freundin von mir! Und wenn sich hier jemand mit ihr anlegen will, dann bekommt er es auch mit mir und Narci zu tun!" Dabei zeigte Lady Ulrike auf den kleinen Walddämon, der bösartig grinsend auf ihrer Schulter saß.

Silvana blickte wohlwollend auf Lady Ulrike. Sie wusste, dass sie ihrer Hilfe nicht bedurfte, aber es zeigte doch von ihrem Mut, wenn sie sich nur mit einem Besen bewaffnet, einem vollbewaffneten Ritter entgegenstellte.

Was keiner wusste war, dass Lady Ulrike vor Angst die Knie schlotterten und nur der fiese kleine Dämon, den sie schon so sehr ins Herz geschlossen hatte, ihr diesen Mut verlieh.

Lautes hämisches Lachen schepperte aus Dreibuchstabens Helm hervor und seine Panzerhandschuhe verformten sich quietschend, als er seine Fäuste ballte.

Er nahm behutsam den Besen zwischen Wurst-Daumen und Wurst-Zeigefinger und zerbrach ihn, schubste dann fast zärtlich Lady Ulrike zur Seite und schwang mit seinem ganzen Körpergewicht einen linken Haken genau unter das Kinn der wallonischen Kriegerin, die die ganze Szene bisher reglos beobachtet hatte. Doch sein Panzerhandschuh stieß auf Luft anstatt harter ehrlicher Kriegerinnenknochen und landete einige Millisekunden später auf Jerrons Solarplexus.

Der Seher flog in hohem Bogen quer über den Burghof und landete direkt in einem Stapel flauschig weicher Kissen, den Jerron dort gestern Nachmittag einer seltsamen Ahnung folgend drapiert hatte.

Inzwischen hatte Yerho das Bewusstsein wiedererlangt; und während in seinem Kopf die fleißigen Hämmer einer Großschmiede daran arbeiteten, DtKs Rüstung wieder auszubeulen, verfolgte er das merkwürdige Geschehen. Sobald er einigermaßen sicher sein konnte, wie sich die Hintergründe der Situation darstellten, entschloss er sich, seinem ungeheuren Ordnungsdrang nachzugeben und für Ruhe zu sorgen.

Silvana hatte sich gerade erneut DtK zugewandt, als eine vierfingrige, klauenbewehrte Hand sie am Arm packte und sie dann in einen behutsamen, aber bestimmten Würgegriff zog.

"Bitte Mylady", meinte ein sanfte Stimme, "Ihr benehmt Euch nicht eben wie eine Dame. Und, falls euch das egal sein sollte, könntet ihr euch zumindest ritterlich oder wie ein guter Gast benehmen."

Ein Ellbogen landete unter seinem Brustbein und er grinste, als er die Bemühungen der Wallonin bemerkte, ihn auf die gleiche Weise wie Jerron auszuschalten.

"Falsche Anatomie", meinte er und zeigte ein zähnefletschendes, aber dennoch aufrichtig amüsiertes Grinsen. "Ihr solltet..."

Er brach ab und blickte über die Schulter der Kriegerin nach vorn, um einen - wie üblich - brüllenden Dtk heranstürmen zu sehen. Er spielte ernsthaft mit dem Gedanken, Silvana loszulassen, und sich dem wahrscheinlichsten Verursacher seiner Kopfschmerzen zu widmen... Doch es kam ganz anders.

Jerron bemühte sich, so schnell wie möglich ins Bewusstsein zurückzukehren, denn da war noch irgend etwas gewesen, das er vorausgesehen hatte. Was war es nur? Da sein Gehirn darauf bestand, Ringelreihen zu spielen und farbenprächtige Sterne hervorzubringen, fiel es ihm nicht gleich ein, er wusste nur, dass er verdammt schnell aus diesem Kissenstapel verschwinden musste, ehe....

Und dann fiel es ihm wieder ein. Er hatte vorausgesehen, dass es ihm nicht rechtzeitig gelingen würde, wieder zu sich zu kommen, ehe ein gigantischer Wasserfall aus einem der Burgfenster hinausschoss und ihn und DtK, Lady Ulrike, Yerho, die beiden Assassinen, mehrere unglückliche Bewerber und alle anderen quer durch den Burghof bis in den Gemüsegarten schwemmte.

PLATSCH.

Lady Sylvia und Lady KeyKeeper, die gerade gemütlich beim Teekränzchen saßen und von dem Tumult bisher nichts bemerkt hatten, blickten verblüfft auf, als vor dem Fenster ein gewaltiges Rauschen und Platschen zu hören war. Sie sprangen auf und schauten hinaus auf einen wirren, schlammigen Haufen von Drachenrittern, Echsen und Wintergemüse.

"Moment mal", sagte Lady Sylvia. "DAS habe ich doch im letzten Herbst hier nicht ausgesät?"

Erfreut über die Ablenkung drehte sich die Schlüsselwächterin schnell um, um Sylvia egoistischerweise das letzte Sahnetörtchen wegzufuttern. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen bei dem Gedanken an die von Sylvia mit Liebe gebackenen Köstlichkeiten...

Irritiert ob dieser Frevelhaftigkeit, eine Wallonin mit Wasser zu begießen, hob Silvana den Kopf. Sie lag quer über Dtk's stattliche Brust gebreitet neben dem seltsam gefärbten Wesen, das sie unfair von hinten angegriffen hatte. "Ich hatte recht, hier herrscht Chaos!"

"Runter von mir!" Unsanft stieß Dreibuchstaben sie von sich und setzte sich auf. Aus jeder Ritze seiner Rüstung floss Wasser und weichte die weiche Erde unter dem schweren Koloss zusätzlich auf.

Ein kehliges Lachen drang aus Silvanas Kehle. "Ihr seid genau der Richtige, um unsere Nachkommenschaft zu sichern, Krieger. Ungestüm, aber von Wert. Ich sollte Euch verschnüren und zu meinem Volk schicken."

"Was soll das werden?!" Dtk's Brüllen dröhnte in den Ohren jener, die sich abmühten, möglichst elegant aus dem matschigen Gemüsegarten zu kommen.

"Moment", warf sich Yerho dazwischen. "Niemand wird hier verschickt oder zu sonst was missbraucht! Bei uns weiß man sich zu benehmen, Mylady! Falls Ihr überhaupt eine seid."

Der derbe Stoß einer wallonischen Hand ließ ihn nach hinten kippen. "Wo ist der Magier, nach dem ich suche?"

"Will sich jetzt endlich jemand um mein KLEID kümmern?", kreischte Lady Ulrike und deutete auf den Asininer Assassine. Ehe dieser es sich versah, hatte ihn Silvana am Arm gepackt. Ein eisiger Blick musterte ihn. "Was geht hier vor? Habt Ihr Lady Ulrike beleidigt?"

Der Asinine Assassine, der nur noch mit einer Unterhose, einem gefährlich aussehenden Messer und seiner Maske bekleidet war, grinste Silvina an.

"Nicht nur das", sagte er mit bewunderungswürdiger Gelassenheit, "ich habe ihr Kleid gestohlen und sie mit Wasser begossen und die ganze Burg unter Wasser gesetzt. Und jetzt möchte ich gehen. Atonaler Attentäter, bitte demonstriere doch diesen Herrschaften kurz unseren Alternativplan."

Der Atonale Attentäter, der sich gerade mühsam unter Yerho hervorrobbte, ächzte ein bisschen und nickte schicksalsergeben. Dann öffnete er den Mund und gab einen Ton von sich, der vermutlich den Kammerton A darstellen sollte und sich (für spätere Analysen) aus den folgenden Geräuschen zusammensetzte:

- dem Brunftschrei eines wilden Ebers

- dem Gesang eines Buckelwales

- dem Sirenengeheul vom Dach einer Schule

- dem Schrei einer Banshee

- Alanis Morissette UND Whitney Houston

- Yerhos Schmerzensschrei, als DtK ihm versehentlich irgend einen spitzen Teil seiner Rüstung in den Echsenschwanz haute.

Alles in allem war es ein entsetzlicher Ton. Lady Sylvias Teegeschirr zerbrach. Alle Fensterscheiben dieser Seite der Burg ebenfalls. Einer von Sylvias Drachen stieß ein schmerzliches Heulen aus. Alle Pflanzen verwelkten, und alle Anwesenden schlugen sich die Hände auf die Ohren (oder was immer bei ihnen als Ohren galt) und kniffen die Augen zu.

Als sie wieder aufschauten, sahen sie gerade noch, wie die beiden Schurken über die niedrige Gartenmauer kletterten und verschwanden. Und sie sahen KeyKeeper, die von einem besonders tödlichen Ton getroffen niedersank. Und ihr Schlüsselbund war verschwunden.

Yerho, seines Zeichens kultivierter Chronist zu Draghaven, wurde anerkanntermaßen nie laut, selbst wenn dieser Charakterzug gelegentlich sinnvoll gewesen wäre. Glücklicherweise war Cusach, der Dunkle Gott, der sich des Körpers des Chronisten bediente, um andere Welten zu bereisen und ihm dafür die Fähigkeit des Gestaltwandels verlieh, von solchen zivilisatorischen Mängeln unbeeinträchtigt.

"RUHE JETZT!!!", brüllte er und ließ auf magischen Wege die Lautstärke in einer Weise anschwellen, dass jeder Bühnentechniker einer beliebigen Heavy-Metall-Formation neidisch geworden wäre. Der interessante Echo-Effekt mit ambivalentem Flanger war dabei nur der Zuckerguss, um einen letzten Rest an künstlerischem Anspruch zu wahren. Außerdem war es geeignet, das Gequieke des Attentäters zu übertönen.

Zumindest für den Augenblick hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden. "Hier wird niemand beleidigt und sich nur unter prinzipieller Zustimmung sämtlicher Beteiligten sowie unter Ausschluss der Öffentlichkeit reproduziert", stellte er klar. "Außerdem wird niemand angegriffen."

Sein Blick fahndete nach einem Objekt, auf das er die Aggressionen aller Beteiligten lenken konnte und fiel auf den noch immer unbehelligten Assassinen.

"Mit Ausnahme von dem da!"

Nur leider war der Assassine schon weg.

Har har har har HAR!!!!! Gellte das Lachen des Assassinen über den Hof.

Entgeistert starrten sich alle Beteiligten an. Was war geschehen? Wieso brüllte der sonst so ruhige Yerho in der Gegend herum. Sein Echsenschwanz wühlte den Schlamm auf.

Mit gerecktem Kinn erhob sich die Wallonenkriegerin und trat auf die Steinplatten des Burghofs hinaus. Angewidert schüttelte sie den Schmutz ab, so gut es eben ging. Hinter ihr krabbelte einer nach dem anderen aus dem Gemüsegärtchen - oder dem, was davon nicht im Matsch verschwunden war.

Schwerfällig wälzte sich DtK in die Höhe. Schwer klebte die feuchte Erde an der Rüstung.

Silvana stampfte einige Male den Schaft des Speeres auf den Boden. Behutsam fuhr sie mit den Fingern über die scharfe Klinge und befreite sie von zermantschten Kräutern und Blumen.

Hell funkelten die Saphire an ihrem Halsband. Im Licht der Sonne sah es beinahe so aus, als bewege sich etwas in ihnen, eine Art Wolke, die um einen unsichtbaren Mittelpunkt kreiste.

Fasziniert starrte Yerho die Kriegerin an. Alles an ihr wirkte seltsam blau und kalt. Nicht ihre Haut, aber ihr ganzes Gehabe strahlte Kühle aus. So, als ob sie nicht menschlich wäre. Er wollte sie fragen, was es mit den Steinen auf sich hatte, denn er spürte die Kraft, die von ihnen ausging und die Wallonin einhüllte. Doch im selben Augenblick wandte sich Silvana in einer blitzschnellen Bewegung um und war mit einem Satz neben Jerron.

"Also, seid Ihr ein Magier?"

"Was hat die dauernd mit dem Magier?", grölte Dtk dazwischen.

"Mein Schlüsselbund", kreischte ein Stimme von einem der Fenster zu ihnen herab. KeyKeeper war kaum wiederzuerkennen, so blass und zerknittert sah sie aus.

"Was geht uns dein dämlicher Schlüsselbund an?", brüllte Dreibuchstaben zurück, schwang seine Streitaxt und schritt so beschwingt es mit der verdreckten Rüstung eben ging über den Burghof zurück zu der Treppe, von der er gekommen war. "Lauter Verrückte in dieser Burg. Äähh!"

Keiner achtete darauf, wie KeyKeeper ermattet in sich zusammensank. Zu sehr waren alle mit sich selbst beschäftigt.

"Ich brauche ein Bad! Wie ich nur aussehe", jammerte Lady Ulrike und zupfte an sich herum.

"Magier?" Verdattert sah Jerron in ein erwartungsvoll angespanntes Gesicht. Wieso sah er nicht, was Silvana hier wollte? Seine Gedanken waren seltsam leer. Sein Blick blieb an den Steinen an ihrem Hals hängen. Die Kriegerin überragte ihn um einen vollen Kopf, sodass sich das schwarze Lederband in Augenhöhe befand. Etwas blockierte ihn. Irritiert zuckte Jerron zurück. "Was macht Ihr mit mir? Verschwindet!"

Yerho legte den Kopf schief und beobachtete die seltsame Szene. Was ging hier vor?

Um die beiden Attentäter kümmerte sich niemand mehr, ebenso wenig wie um die Tatsache, dass einer der beiden ein Buch für Meuchelmörder bei sich getragen hatte.

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